Eiszeit zwischen USA und Russland in Syrien

Es kann einem Angst und bange werden, wenn man die Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und Russland verfolgt. Außenminister John Kerry läßt am 03.10.2016 verlautbaren, dass die Gespräche über eine Waffenruhe beendet seien. “Die Geduld aller mit Russland ist am Ende”, läßt der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, die anwesenden Reporter in der darauffolgenden Pressekonferenz wissen. Naturgemäß weist Russland in Gestalt der Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, die Schuld am Scheitern der Verhandlungen zurück und bezichtigt die USA der Nichterfüllung der vorhergegangenen Abkommen im September.

Das US-Außenministerium teilte in einer Aussendung mit, dass sich Russland nicht an seine Verpflichtungen, basierend auf dem humanitären Völkerrecht und der UN-Resolution 2254 hält und gleichzeitig nicht in der Lage ist, auf das syrische Regime, gemeint ist hier der gewählte Präsident Assad, einzuwirken und dieses zur Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen zu bringen.

Die Vorgehensweise in Syrien liegt größtenteils in der Hand der CIA, die wiederum zahlreiche islamistische Söldner Truppen engagiert, trainiert und ausgerüstet hat. Nach einem bis heute ungeklärten Angriff auf einen Hilfskonvoi, hatte die CIA die Ausrüstung der Söldner mit Boden-Luft-Raketen gefordert. Aus Sicht der USA ist das Risiko, dass die frisch ausgebildeten und mit Ausrüstung versehenen Söldner zum IS abwandern könnten, kalkulierbar. Russland sieht das als Unterstützung des IS.

Waffenfähiges Plutonium

Ebenfalls am 03.10.2016 hat der russische Präsident Vladimir Putin die Aussetzung des Abkommens über die gemeinsame Beseitigung von waffenfähigem Plutonium angeordnet. In dem Erlass heißt es wörtlich, dass die Gründe für dieses Vorgehen die Gefahr für die strategische Stabilität  wegen “nicht freundschaftlichen Vorgehens der USA und der Unfähigkeit der USA, die Erfüllung von Verpflichtungen sicherzustellen” seien.

Die USA und Russland hatten sich, nach Vereinbarungen im Jahre 1998 zwischen dem damaligen amerikanischen Präsidenten Clinton und dem russischen Präsidenten Jelzin, erst 2003 in Wien darauf geeinigt, bis 2012 insgesamt 34 Tonnen waffenfähiges Plutonium zu vernichten und teilweise zu Brennstäben für Kernreaktoren zu verarbeiten. Im Detail wurde darauf Wert gelegt, dass die Verarbeitungsmethoden so zu wählen sind, dass das Material nicht mehr in Atomwaffen einsetzbar ist. Ein weiteres Argument Russlands, für das Aussetzen des Abkommens, ist die Tatsache, dass Russland eine Fabrik in der Wiederaufbereitungsanlage für die Verarbeitung von Plutonium zu Brennelementen gebaut hat, die dies gewährleistet und die USA nicht, sagt der Politologe Alexej Arbatow. Die von den USA bevorzugte Verarbeitungsmethode ermöglicht angeblich weiterhin die Verwendung in Waffen.

In Ermangelung einer wissenschaftlichen Expertise, muss man an dieser Stelle auf das Dokument Plutonium Paper.pdf, der IAEA verweisen, in dem die unterschiedlichen Methoden zur Verarbeitung des Plutoniums angeführt werden. Das Papier beschreibt das Plutonium Materials Conversion Program for the Russian Federation das eigens vom Energieministerium der Vereinigten Saaten (US DOE) ins Leben gerufen wurde, um, wie es heisst, “Russland bei der Zerstörung von waffenfähigem Plutonium zu unterstützen”. Nach Durchsicht dieses Dokuments ist zumindest klar, dass die von Russland bevorzugte Methode auf die Umwandlung und Wiederverwendung als Treibstoff für Schnelle Reaktoren abzielt, und nur ein minimaler Teil endgelagert werden soll. Die amerikanische Methode produziert hingegen relativ wenig Treibstoff und setzt auf die Endlagerung. Dieser Umstand könnte der Hinweis auf die Verstimmung Russland sein, denn demnach würden die USA jetzt über beinahe die selbe Menge waffenfähiges Plutonium verfügen, wie zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, während Russland die größte Menge zur Energiegewinnung verheizt hat. Zum selben Schluss kommen laut der Nachrichtenagentur TASS auch die Autoren des Dokuments, das Wladimir Putin am 03.10.2016 dem Unterhaus des russischen Parlaments vorgelegt hat.

Russland fordert das Ende aller Sanktionen

Wie das Online Magazin TASS am 03.10.2016 schreibt, fordert Russland von Washington das Ende des sogenannten Magnitsky Akts, und damit die Aufhebung aller Sanktionen und Kompensationen für die Auswirkungen. Im Gegenzug würde man das Abkommen über die gemeinsame Beseitigung von waffenfähigem Plutonium wieder aufnehmen.

Im Detail fordert Wladimir Putin erstens die Reduzierung der militärischen Infrastruktur und der US Truppen in den NATO Basen der NATO-Mitgliedstaaten. Russland will, dass der Stand auf die Vereinbarungen aus dem Jahre 2000 zurückgesetzt wird. Russland führt in dem Dokument an, dass die USA im Vorfeld der Ukraine Krise ihre Präsenz in Osteuropa massiv verstärkt haben, dass U.S. Truppen in den ex-sowjetischen, baltischen Staaten stationiert wurden und dass sich die Anzahl von Luftwaffenstützpunkten erhöht hat. Russland wirft den USA weiter vor, dass sie, gleichzeitig zum Ausbau ihrer Militärpräsenz, das Ziel verfolgen, die russische Wirtschaft durch Sanktionen zu schädigen und die Rechte russischer Bürger massiv einschränken.

Eine weitere Forderung ist das Ende des 2012 installierten Magnitsky Acts und die Aufhebung des US 2014 Acts zur Unterstützung der Unabhängigkeit der Ukraine. Der Magnitsky Act wurde 2012 vom U.S. Kongress und Präsident Barack Obama abgesegnet. Anlass war der ungeklärte Todesfall des russischen Rechtsanwalts Sergei Magnitsky im Moskauer Gefängnis 2009. Die offizielle Intention war, die für Magnitsky´s Tod verantwortlichen oder verdächtigen, russischen Offiziellen zu treffen. Es handelt sich dabei tatsächlich um ein Gesetz, das unter anderem eine Liste von Individuen beinhaltet, deren amerikanische Konten eingefroren und beschlagnahmt wurden und über die ein Einreiseverbot verhängt wurde.

Die dritte große Forderung ist die Ausarbeitung eines klaren und unmissverständlichen Plans zur Vernichtung oder Endlagerung des Plutonium, das unter die Bedingungen der ursprünglichen Vereinbarung fällt.  

Russland übt den nuklearen Ernstfall

Am 02.10.2016 berichtete das Ministerium der Russischen Föderation für Zivilschutz, Notfälle und der Eliminierung von Auswirkungen von Naturkatastrophen, dass am 04.10.2016, 40 Millionen Russen an einer Zivilschutzübung teilnehmen werden. Mit dabei sind 200.000 Spezialisten aus “emergency rescue divisions” und 50.000 Einheiten an Equipment. Die großangelegte Übung soll 4 Tage dauern und die Bereiche Zivilschutz, Notfall Evakuierung und Katastrophenschutz abdecken. Auf der Website des russischen Ministeriums für Zivilschutz ist nachzulesen, dass die viertägige Übung mehrstufig aufgebaut ist, und unter anderem die Bereiche Schutz vor radioaktiven, chemischen und biologischen Waffen, und die Evakuierung und Sicherung von Personal und Bevölkerung während Notfällen in kritischen und potentiell gefährdeten Einrichtungen.

Die Katastrophenübung ist angeblich seit 2012 alljährlich angesetzt und zielt auf die Bewältigung von nuklearen Katastrophen ab.

Deutscher Zivilschutz rät dazu Vorräte anzulegen

Am 22.08.2016, also vor rund 6 Wochen, hat Deutschland ein neues Zivilschutz Konzept vorgestellt, in dem die Regierung dazu aufruft, Lebensmittel- und Wasservorräte anzulegen. Ziel soll, laut dem deutschen Innenministerium, der Selbstschutz bei Notfall, Katastrophe oder Angriff für den Zeitraum sein, bis die staatlichen Maßnahmen anlaufen. Der Aufruf wurde schon damals kritisiert, und von Seiten der Regierung abgeschwächt. Es gäbe keinen Zusammenhang mit der (damaligen) Sicherheitslage. Wenn man die derzeitigen Entwicklungen in Betracht zieht, machen diese Empfehlungen jedenfalls Sinn.

Auch der österreichische Zivilschutz ist nachgezogen und hatte ebenfalls über diverse Medien zum Anlegen von Vorräten geraten.

Fazit:

Die Ereignisse zusammengenommen, malen ein Bild der steigenden Spannungen zwischen zwei traditionell verfeindeten Supermächten. Russland ist zwar keineswegs mehr der offizielle Angstgegner, den die frühere Sowjetunion einmal darstellte. Aber die USA ist noch immer in einer uneingeschränkten, seit Jahren andauernden Expansionsphase ihres Macht- und Einflussbereichs. Die amerikanische Administration verfolgt dieselben Ziele, wie vor 20 Jahren auch. Wie soll es auch anders sein, die Chefstrategen sind dieselben. Die USA verfolgt weiterhin

  • den Ausbau der militärischen Präsenz in Osteuropa, den Erhalt des US Dollars als de facto Leitwährung durch Bindung an den Ölpreis (Petrodollar),
  • die Verschlechterung aller Beziehungen zwischen Staaten, die als Bedrohung der amerikanischen Agenda eingeschätzt werden, wie z.B. Russland und Deutschland,
  • und die anhaltende Destabilisierung des Mittleren und Nahen Ostens, als Krisen Motor, Wirtschaftsmotor und zur Einschüchterung der Feinde Amerikas. Und nicht zuletzt als Hinweis für die Bündnispartner, die eventuell die amerikanischen Interessen nicht teilen oder gar kritisieren.

Der Anstieg der Spannungen zwischen den USA und Russland hat also vielerlei Ursachen, es wird an vielen Ebenen vorgegangen, wir sehen die komplexen Verflechtungen und ein Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Interessen. Fakt ist, dass Russland bisher, im Gegensatz zu den USA, wenig Animo in Sachen Expansion gezeigt hat. Russland ist de facto von NATO Stellungen eingekreist. Die Rolle Russlands in einem bevorstehenden Konflikt, wird wohl die des Angegriffenen sein. Russland sieht sich seit Jahren von der NATO eingekreist und bedroht und hat schon mehrmals darauf hingewiesen.

Die USA setzen wie in früheren Jahren auf Expansion und den Ausbau militärischer Präsenz in den Ländern ihrer Bündnispartner. Die amerikanische Wirtschaft ist am Boden, der Dollar verliert zusehends an Bedeutung und der militärisch-industrielle Komplex hat wenig Intention kriegerische Handlungen, vor allem auf dem Boden anderer Nationen, zu vermeiden. Die amerikanischen Nachrichtendienste führen ein Eigenleben und sind die Triebfeder hinter vielerlei Konflikten und Problemen in der heutigen Welt. Die zunehmende Destabilisierung Europas ist auch kein Zufall. Das Vorgehen gegen den Exportkaiser Europas, Deutschlands, insbesondere gegen systemimmanente Unternehmen wie die Deutsche Bank oder Volkswagen sind deutliche Hinweise auf die Taktik, die die amerikanische Administration zur Unterstützung ihrer Agenda einsetzt.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir noch weit von einem bewaffneten Konflikt auf russischem Boden entfernt sind, dass die Realität und Wahrscheinlichkeit aber mit jedem Monat steigt. Ein Stellvertreter-Krieg in Syrien und eine Patt-Stellung in der Ukraine sollten Konflikt genug sein und bleiben. Ob die US-Administration das auch so sieht, darf bezweifelt werden.

Bleiben Sie ruhig, sorgen Sie vor und unterstützen Sie Projekte, die Menschen glücklicher machen.

Quellen:

Bücher, die man gelesen haben sollte…

 


Beitragsbild: Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres/flickr (CC BY 2.0)

Artikelbilder: The Ministry of the Russian Federation for Civil Defence, Emergencies and Elimination of Consequences of Natural Disasters (CC BY 2.0)

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