Der Begriff Populismus ist in den letzten Jahren zum Kampfbegriff aufgestiegen, mit dem so ziemlich jede Kritik an vorherrschenden politischen Systemen in den Bereich von Faschismus und Fremdenhass gerückt wird. Im heutigen Verständnis beschreibt man damit das ewig gestrige, das ungebildete Volk, die einfache Antwort auf die komplizierten Probleme. Die Begriffe Populismus und Faschismus sind sich in ihrer Bedeutung und in ihrer Verwendung im allgemeinem Sprachgebrauch in den letzten Jahren sehr nahe gekommen.

Der Ursprung des Populismus

Der Begriff Populismus kam Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in den Sozialwissenschaften auf. Damit beschrieb man die Farmerbewegung in den USA, die sich gegen die Vertreter des Großkapitals in New York City zur Wehr setzte. Die Farmerbewegung plädierte für eine Politik billiger Kredite, die Silberwährung, Referendumsdemokratie und landwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaften, und gründete dazu 1889/1890 die People’s Party, die diese Forderungen politisch durchsetzen sollte. Es war jedoch die Demokratische Partei, die manche dieser Forderungen und Ideen aufgriff, so dass diese im New Deal nachwirkten, was zumindest zu einer Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen führte. 

Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Alan Dahl meinte 1989:

“Populismus ist der allgemeine Protest, der sich gegen die Kontrollmechanismen richtet, die eine direkte „Herrschaft des Volkes“ vermeiden sollen. Am Anfang des modernen Populismus steht ein radikales Verständnis von Demokratie als Regierung des Volkes, für das Volk und durch das Volk; eine Volksherrschaft jenseits der Unterscheidung zwischen Mehrheit und Minderheit, jenseits aller Begrenzungen, die „das Volk“ als Souverän einschränkt. Populismus tendiert dazu, das Problem von Einschließung und Ausschließung zu negieren: Wer ist Teil „des Volkes“ – und wer nicht? Was sind die Kriterien, von denen die Zugehörigkeit zum „Volk“ abhängt?” 

Das Problem der Ausschließung, wer ist Volk und wer nicht, ist eine Frage, die sich bei Verwendung des Begriffs im Sinne von “Staatsvolk” nicht stellt, weil damit die Gesamtmenge der Staatsbürger und ihnen staatsrechtlich gleichgestellter Personen gemeint sind. In der Antike nannte man die Gemeinden Demos (griechisch δῆμος ‚Gemeinde, Volk‘), die als Grundlage der Demokratie gesehen werden müssen. Die ethnische Herkunft von Bürgern eines Staates war dabei rechtlich unerheblich. Wir erleben hier also eine Umdeutung der Begriffe, die in ihrem Ursprung eindeutig und klar sind, und deren Verwendung zu keinen Missverständnissen führen sollte.

Die heutige Verwendung des Begriffs

In der heutigen Medienwelt wird der Begriff des Populisten hauptsächlich für Rechte Parteien und deren Parteiführer und Sprecher verwendet. Die Nähe des Begriffs zum Faschismus ist also evident. Der gegenwärtige Populismus wird vor allem als ein Phänomen der äußersten Rechten gesehen. Bei näherer Betrachtung ist er aber auch in der Wähler-Kommunikation, dem strukturellen Aufbau von Reden und Kundgebungen und den Aktionen der Parteien des Mainstreams und der Mitte erkennbar. Es wird Parteien der rechten und der linken Mitte vorgeworfen, sie würden unvermeidlich dazu neigen, ihre Botschaften zu simplifizieren und Konzessionen an populistische Gefühle zu machen. Der Politikwissenschaftler Stefano Bartolini schriebt, dass es den Populismus der Linken auch immer schon gegeben hat: 

“Von Lenins Schimpftiraden gegen den Parlamentarismus über die Fraktion der Vereinigten Linken im Europäischen Parlament, deren Affekte gegen die europäische Integration sich von denen der extremen Rechten kaum unterscheiden. Beide extremen Flügel des europäischen Parteienspektrums gehen von einem nationalen „Wir“ aus, dessen ethnische oder soziale Komposition es zu verteidigen gilt”

Die Funktion des Populismus

Der österreichische Jurist und Politikwissenschaftler Anton Pelinka sieht den Populismus als einen festen Bestandteil der liberalen, der „westlichen“ Demokratie. Er denkt, dass der Populismus die Demokratie immer begleitet, in Form eines bestimmten politischen Stils und als eine spezifische Form des politischen Anspruchs. Ihm ist bewusst, dass in der zeitgenössischen Demokratie jede Partei, die Erfolg hat oder haben will, auf populistische Schattierungen nicht verzichten wird können. Er sieht das, als die Folge des Wettbewerbs um Wählerstimmen, der unvermeidlich zu bestimmten inhaltlichen Vereinfachungen und emotionalen Mobilisierungen führt. Pelinka schreibt:

“Populismus – Populismus im Sinne von Korrektiven – ist aus der Demokratie nicht wegzudenken. Populismus als inhaltliches Programm aber führt zu einem politischen Fundamentalismus, der letztlich das zerstört, was der Populismus zu vertreten vorgibt: die Demokratie.”

Fazit:

Ich denke, es geht um das richtige Augenmaß im Umgang mit Populismus. Die Demokratie, genauso wie alle anderen politischen Systeme, lebt zu einem großen Teil von der Identifikation mit der Idee des Volkes, des Staates, der Nation, etc. Bundeshymnen, Flaggen, Nationale Feiertage und ähnliches werden ja nicht seit gestern eingesetzt um genau diese Identifikation zu stärken. „Wir sind Exportkaiser“, „wir sind Papst“, „wir sind Weltmeister“ sind die ebenfalls populistischen Auswüchse, die diese Illusion kreieren helfen.

Die Illusion einer homogenen Masse, des „einen Volkes“, das die Grundlage aller politischen Systeme bildet, wird den Populisten immer vorgeworfen, bildet aber die Grundlage der Demokratie, wie wir sie kennen. Dass sich die etablierten Institutionen und deren Vertreter so vehement gegen die Verwendung derselben Strategie bei Vertretern ihrer Opposition aussprechen ist verständlich. Populismus funktioniert!

Um die Spreu vom Weizen zu trennen und nicht in die Populisten Falle zu tappen, wird Ihnen und mir nichts anderes übrig bleiben als sich selbst zu informieren, und selbstständig zu entscheiden, welche politischen Geschehnisse unser Leben beeinflussen, welche politischen Systeme notwendig sind. Die Systeme denen wir jeden Tag begegnen und in die wir unser Leben lang eingebunden sind, werden immer komplexer und führen dennoch nicht in die glückliche und zufriedene Zukunft, mit deren Vorstellung man uns alle im Hamsterrad hält. Irgendwo tief in uns drin wissen wir, dass unser Leben eigentlich sehr einfach sein könnte. Für die Komplexität sorgen meist andere, sorgen die Systeme in die wir geboren wurden, sorgt eine unbekannte Macht, die sich hinter Institutionen verborgen hält.

Über ein breites Spektrum informieren und selbst erkennen, wo der Populismus Ihre Knöpfe drückt, das muss und wird die Devise sein. Denn im Grunde liegt es in Ihrer und in meiner Verantwortung, dass Ihr Informationsstand über die Entwicklungen auf dieser Welt ein Niveau erreicht, bei dem es der Populist schwer hat, Sie in die linke oder rechte Ecke zu drängen. Wenn der allgemeine Wissensstand eine kritische Masse übersteigt, dann fruchtet der beste Populismus nicht mehr.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir viel Erfolg bei der Erhöhung unseres Informationsstandes und bei der Verbreiterung unseres Wahrnehmungssprektrums. Bleiben Sie wachsam und froh.  

An dieser Stelle wieder einige Bücher, die man selbst gelesen haben könnte oder sogar schenken darf:


Beitragsbild: Multimedia-Blog Brundespraesident.in/flickr (CC BY-SA 2.0)

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