Das Prinzip

Das Problem der Abgrenzung und Teilung von Kontrahenten, und das Entstehen von tiefen Rissen die unsere Gesellschaft in grundlegenden Fragen spalten, die Konflikte zwischen unterschiedlichsten Gruppierungen und Parteien sind durchaus erwünscht und im Sinne von Herrschern. Das Prinzip Teile und Herrsche wurde und wird von jeder Einzelperson oder Gruppierung angewandt, die sich entschlossen hat, über andere Macht und Kontrolle zu erlangen. Anders wäre es ja auch nicht möglich, als verschwindend, kleine Minderheit über eine überwältigende Mehrheit zu herrschen. Diejenigen unter den Herrschern, die das Prinzip vollends verinnerlicht haben, kann man an einer Hand abzählen.

Der Ausspruch stammt angeblich von Niccolò Machiavelli, der 1532 in seinem Buch Der Fürst dem Fürsten Medici die Methodik zum Ausüben von Herrschaft näherbringt. Die rechtlichen Organisation des Römischen Reichs war schon darauf aufgebaut. Rom stellte sich als einzige Zentralmacht dar, die einzelnen Mitgliedstaaten hatten ausschließlich Verträge mit Rom. Verträge untereinander abzuschließen war ihnen verboten. Die römischen Bündnispartner wurden ebenfalls in unterschiedliche Gruppen eingeteilt, deren Wertigkeit von den Unterworfenen, den subiecti, über Verbündete (foederati) und Bundesgenossen (socii) bis zu rechtlich gleichgestellten Freunden des römischen Volks (amici populi Romani) reichte. Durch gutes Verhalten im Sinne Roms konnten sich die Bündnisstaaten sozusagen empordienen, und so zu unterschiedlichen Graden der Selbstverwaltung gelangen. Ähnliche Methoden wurden aber sicher schon in vorgeschichtlicher Zeit angewandt.

Herausragende Herrscher kann man daran erkennen, dass Sie das Prinzip Teile und Herrsche auch eingesetzt haben, um sich selbst in die Vermittlerrolle zu begeben und die verfeindeten Parteien wieder zu einen. So entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen den Kontrahenten und der Vermittler Person, die schlussendlich maßgeblich auf die Entscheidungen beider Lager Einfluss nehmen kann. Wenn der Intrigant es schlau anstellt, erhebt er sich als vermittelnde Person auch noch in den Stand eines Vertrauten beider Seiten. Dadurch erhält er einen Informationsvorsprung und einen höheren Wissensstand als alle anderen Beteiligten. Dieser Umstand bildet die Basis für den Einfluss, den er anwenden kann um seine eigenen Ziele zu erreichen. Er muss im Grunde nur dafür sorgen, dass die Parteien seine Vermittlerrolle aufrechterhalten wollen. Direkte Gespräche, auch über einen längeren Zeitraum geführt, könnten das perfide Spiel der Vermittler zwar aufdecken, würden aber wenig bringen, weil die auftauchenden Ungereimtheiten, die auf die Intrige hinweisen würden, ohne Anwesenheit des Intriganten meist als Böswilligkeit der Gegenpartei aufgefasst und ausgelegt werden würde.

Um die Parteien zu entzweien, bietet es sich an, die Eigenheiten und Gewohnheiten beider Parteien zu erheben und in einem weiteren Schritt die größten Gegensätze, oder auch die größten Gemeinsamkeiten in der Interpretation ihrer Lebenswelt zu finden. In heutiger Zeit, wie auch in der Vergangenheit, bilden die unterschiedlichen Kulturräume und ihre speziellen Gepflogenheiten die Basis für genügend Konfliktpotential. Unterschiedliche Kulturkreise sind meist auch räumlich voneinander getrennt, doch im Unterschied zu früher sind sie in heutiger Zeit durch diverse Medien in (zumindest scheinbarer) direkter Verbindung.  Der Eindruck der vernetzten und global verbundenen Welt, der in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, ist trügerisch. Wir haben zwar subjektiv das Gefühl, als hätten wir Zugriff auf alle Informationen dieser Welt, doch vergessen wir dabei, dass wir selbst, unser Bewusstsein und unsere Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit den Flaschenhals in der Informationsaufnahme und -verarbeitung darstellen. Wir können nur eine begrenzte Menge an Daten, in welcher Form auch immer, auf logischer und sachlicher Ebene verarbeiten. Auf emotionaler Ebene kommt es in unserem datenüberfluteten Leben meist zum Stau. Da ist dann auch rasch ein Urteil gefällt, auf emotionaler Basis zwar, aber umso schneller und heftiger in der Ausformung und Umsetzung. Und dann wird schnell mal aus der vermeintlichen Distanz und aus eingebildeter Anonymität etwas gepostet, das ganz klar dort und auch sonst nirgends hinpasst. Hasspostings oder Cybermobbing sind solche Phänomene. Dummerweise verpuffen diese Postings nicht so schnell wie sie erschaffen wurden und sind auch nicht so kurzlebig wie die Emotion, aus der sie entstanden sind. Diese emotionalen Rülpser und Pöbeleien kann man an allen Ecken und Enden des Internets finden.

Untersuchungen sollen gezeigt haben, dass diese Postings anfänglich bei Usern aus niederen Bildungsschichten zu finden waren. Aber dieser Umstand, falls er der Wahrheit entspricht, hat sich geändert. Mittlerweile wird, besonders wenn es sich um die allseits beliebten heiligen Kühe aus dem Prinzip Teile und Herrsche handelt, gepöbelt, getadelt, angegriffen und gehetzt, was das Zeug hält. Politik und Religion sind und waren in allen Zeiten die Aufreger, die benutzt wurden um das Prinzip anzuwenden. Heutzutage, gelingt das fast automatisch, auf globaler Ebene, vernetzt und zwischen einer immer noch größer werdenden Anzahl von Gruppierungen und Untergruppierungen, Splittergruppen und geheimen Organisationen. Diese Welt ist fragmentiert in kleinste Einheiten, die sich allesamt für die alleinigen Besitzer der einzigen Wahrheit halten. Christen gegen Moslems, Sunniten gegen Schiiten, alle gegen Sufis, die Rechte gegen die Linke, die Links-Linken gegen die Linken, die Ultrarechte gegen die Nationalisten, und alle gegen die Anarchisten. Frauen gegen Männer, Frauen gegen Frauen, Männer gegen Männer, alle gegen Kinder. Diese Liste könnte man sehr lange weiterführen. Doch was all diesen Gruppierungen gemein ist, ist Folgendes: Sie haben alle nicht erkannt, dass sie benutzt wurden und dass sie weiterhin benutzt werden. Und sie haben auch nicht erkannt, dass es ihre eigene, persönliche und tatsächlich individuelle Verantwortung ist, dass das geschehen kann.

Man sieht, das Prinzip macht durchaus Sinn, wenn man sich einmal entschieden hat über andere Menschen Kontrolle auszuüben.

Der Ausweg

Der einzige Ausweg ist die Bewusstwerdung einer kritischen Masse in beiden Lagern der Konfliktparteien. Sie müssen sich einerseits vor Augen halten, dass ihre Situation von einer dritten Macht künstlich herbeigeführt wurde, aus oben angeführten Gründen. Und andererseits, müssen sie den proaktiven und fortdauernden, direkten Dialog zwischen den zerteilten Parteien anstreben, und das auf allen Ebenen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Konflikte und das dadurch verursachte Leid, die auf beiden Seiten empfundene Ablehnung oder in schweren Fällen sogar zügelloser Hass, sind in vielen Fällen groß, und erscheinen in der kollektiven Wahrnehmung als unüberwindbar. Wir erinnern uns: Dieser Zustand stellt das Ideal der dritten Partei dar.

Was den Konfliktparteien meist, insbesondere durch direkt Betroffene aus den eigenen Reihen meist am schwersten gelingt ist – der Prozess des bewussten Vergebens. Ich meine damit extreme Fälle, wie Angehörige getöteter Menschen, etc., die mit endgültigen und nicht wieder gut zu machenden Situationen konfrontiert wurden. Der Prozess des Vergebens kann aber sogar in Extremfällen seine heilende Wirkung entfalten, wenn das Bewusstsein der Betroffenen erfasst hat, dass ihnen zwar Leid zugefügt wurde, aber die gegnerische Partei eventuell die ausführende Hand war, der Verursacher jedoch eine dritte Macht gewesen ist. Der Vorwurf und die Frage der Schuld würden dann vom Kontrahenten auf den Verursacher übergehen, und so die Kluft, die zwischen dem Dialog steht, überbrücken.

Der direkte Dialog sollte auch einem zwar simplen aber in der Realität schwer einzuhaltenden Prozedere folgen und einen gewissen Rahmen einhalten. Respekt, Aufrichtigkeit und Toleranz sind die grundlegenden Haltungen, die als Basis für den Dialog unumgänglich sind. Das Rüstzeug dazu haben wir alle als Grundausstattung: Empathie.

Aber auch die Wissenschaft hat sich dazu Gedanken gemacht. Teams aus Neurowissenschaftlern, Gesprächswissenschenschaftlern, Psychologen und Pädagogen machen sich schon seit Jahren daran, diese Zusammenhänge zu ergründen. Am interdisziplinären Forschungszentrum der Freien Universität Berlin etwa, forschen Wissenschaftler aus über 20 Disziplinen an den Beziehungen zwischen Emotionen und Sprache, Kunst, Kultur und Gesellschaft.

Fazit:

So wie sich diese Welt heute darstellt, erscheint es mir notwendig, klar darauf hinzuweisen: Die Rechte und die Linke sind dazu da, die Mitte dorthin zu  treiben, wo man sie haben möchte. Hirte, Hund und wir dazwischen. Die Frage ist nicht links oder rechts, Gott oder Allah, Frau oder Mann. Die erste Frage ist: wer will uns in diesem Zustand der Getrenntheit halten? Wer profitiert davon? Wer verbreitet Meinungen, die trennend oder einschränkend sind? Wer steht hinter rechts und hinter links?

Und die zweite Frage ist: wieso lassen wir uns so leicht trennen? Was kann ich persönlich dazu beitragen, um dieses Prinzip Teile und Herrsche nicht weiter anwendbar zu machen?

In diesem Sinne – bleiben Sie frohen Mutes, denn auch wenn Sie glauben, dass Sie nichts in der Hand haben: Sie, ich und wir, sind das einzige was wir wirklich haben. Pathos Ende…

Bücher, die man gelesen haben sollte:


Beitragsbild: Craig Sunter/flickr (CC BY-ND 2.0)

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