Sergei Alexandrovich Markov, Doktor der Politikwissenschaft und Mitglied der russischen Civic Chamber, ließ in einem Interview von 17.10.2016 mit dem Magazin thedailybeast.com aufhorchen.

“Das sind die ernstzunehmendsten Spannungen zwischen Moskau und Washington seit Jahrzehnten. Der Krieg könnte sogar noch vor den US-Wahlen im November beginnen.”

Markov, der russische Politikwissenschaftler mit engen Verbindungen zum Kreml, ist außerdem Assistenz Professor an der Staatsuniversität in Moskau und Mitglied der sogenannten Civic Chamber der Russischen Föderation, einer Aufsichtskommission mit beratenden Eigenschaften. Diese Institution wurde auf Anregung Putins im Anschluss an das Geiseldrama im Jahre 2004 in einer Schule in Beslan gegründet, um die Rechtsentwicklung zu analysieren und die Aktivitäten des russischen Parlaments von ziviler Seite zu überwachen. Man kann also davon ausgehen, dass Markov entweder über tiefer gehende Informationen verfügt als Ihnen und mir zugänglich sind, oder dass es sich bei der Aussage um Propaganda handelt, um die russische Bevölkerung im gefügigen Alarmzustand zu halten. Hinweise auf eine Entwicklung in Richtung bewaffneter Konflikt gibt es leider Gottes immer mehr. Ich gehe in dem Beitrag Steuern USA und Russland auf einen direkten Konflikt zu? näher auf die Indizien ein.

US-Cyberwar gegen Russland

Joe Biden, der US-Vizepräsident, möchte eine Botschaft an Russland senden. Was damit gemeint ist, wird klar, wenn man zwischen den Zeilen liest und die ganze Aussage aus der NBC Sendung Meet the Press kennt:

“Wir senden eine Botschaft an Russland, und zwar zu einem Zeitpunkt unserer Wahl und unter  den  Umständen, die die größte Wirkung entfalten werden.”

Ist am Ende gar kein Cyberangriff gemeint? Im Vorfeld gab es den Vorwurf der USA, dass die Cyberattacken gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Clinton und deren Wahlkampfmanager John Podesta von Russland ausgegangen sein sollen. Russland zeigte sich empört und wies die Vorwürfe entschieden zurück.

Wissen sollte man an dieser Stelle, dass Cyberattacken heutzutage zum fixen Repertoire eines zwischenstaatlichen Konflikts gezählt werden müssen. Im Georgien Krieg im Jahre 2008 waren die Cyberangriffe der russischen Regierung eng mit den konventionellen, militärischen Operationen koordiniert. Im Arabischen Frühling wurden die Proteste gegen die Regierungen durch ausgedehnte Hackerangriffe unterstützt. Es liegt leider in der Natur eines Cyberangriffs, dass man zu guter Letzt niemals zu 100% sicher sein können wird, von wem der Angriff ausgegangen ist. Man kann höchstens indirekt an den Profiteuren der Aktion ablesen, welche Gruppierung höchstwahrscheinlich dahinter stehen wird.

Die NATO Staaten sind sich dieser Bedrohung bewusst und beschäftigen sich seit einigen Jahren mit  diversen Szenarien. Oberst Artur Suzik, der ehemalige Leiter des Cyber Abwehrzentrums, fordert den Austausch von geheimen Informationen zwischen NATO Staaten und NATO Verbündeten in Echtzeit, um gleichzeitigen Angriffen zu begegnen und die Erfahrungen in der Abwehr der Angriffe auszutauschen. Seit 2010 findet im Cyberdefense Zentrum in Tallinn jedes Jahr eine großangelegte Echtzeit Übung statt. Die Übung für den Cyberwar nennt sich Locked Shields und soll die Verteidigungsfähigkeit der NATO in Sachen virtueller Kriegsführung und Abwehr unter Beweis stellen.

Noch nicht geklärt sind die rechtlichen und völkerrechtlichen Auswirkungen, die Cyberangriffe so mit sich bringen könnten. Die Frage ist, ob eine Cyberattacke einem konventionellen militärischen Angriff gleichgesetzt werden kann und soll? Oder ob der Bündnisfall gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags auch zum Tragen kommt, wenn ein NATO Mitglied einer Cyberattacke ausgeliefert ist. Welche Auswirkungen hätte das auf das NATO Bündnis, wenn den eigenen Mitgliedern und Verbündeten Cyberangriffe auf andere NATO Mitglieder unterstellt werden?  

Putin warnt westliche Journalisten vor dem Ernst der Lage

Von den westlichen Mainstream Medien vollkommen unbeachtet, wandte sich der russische Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin im Rahmen des Internationalen Forum für Ökonomie in St. Petersburg schon im Juli dieses Jahres an Vertreter der internationalen Presse. Das komplette Video mit englischen Untertiteln finden Sie hier.

Putin spricht in dieser Konferenz die Journalisten direkt an und warnt eindringlich davor, die vorherrschende Situation der Spannungen zwischen den USA und Russland zu unterschätzen. Er warnt vor der direkten Konfrontation und der globalen, nuklearen Bedrohung, die, seiner Meinung nach, aus dem Missverhältnis der Schlagkraft zwischen den USA und Russland erwächst. Im Detail bezieht er sich auf die NATO Stellungen in den baltischen Staaten und die Ausrüstung mit Tomahawks, die von Flugzeugträgern aus gestartet werden können. Die russische Regierung sieht sich seit Jahren eingekreist und durch Raketenabwehrsysteme bedroht, die jederzeit auf nuklear umgerüstet werden können und in naher Zukunft über eine Reichweite verfügen werden, die das nukleare Arsenal Russlands bedroht. Putin im Original:

“Wir wissen seit Jahren, was passieren wird – und sie [die USA] wissen, dass wir es wissen. Es seid ihr [die Journalisten], denen sie ihre Märchen erzählen, und ihr gebt das an die Bürger in euren Ländern weiter. Deshalb haben eure Leute keinen Sinn für die bevorstehende Bedrohung – das ist es, was mir Angst macht. Wie kann man nicht verstehen, dass die Welt in eine irreversible Richtung gestoßen wird? ”

Am bedenklichsten finde ich persönlich die Tatsache, dass der Präsident von Russland seine Rede mit folgenden Worten beschließt:

“ich weiss nicht, Wie sie [die USA] das [die globale sicherheit] so einfach zu Fall bringen konnten, ich weiß es einfach nicht. Ich denke, dass das höchst gefährlich ist. Ich denke das nicht nur, ich bin mir da ganz sicher.”

Sie können eine Zusammenfassung der Rede in meinem Beitrag Putin warnt vor einem Konflikt globalen Ausmaßes nachlesen.     

Provokationen am laufenden Band

Mehrfache Androhung von Flugverbotszonen für russische Kampfjets über syrischem Staatsgebiet, permanente Medienkampagnen über angebliche russische Angriffe auf Hilfskonvois und zivile Einrichtungen wie Spitäler, der Vorwurf in den Medien von vorsätzlichen Tötungen von Zivilisten, Abschüsse russischer Flugzeuge über Syrien, Wirtschaftssanktionen gegen Russland, Einreiseverbote für russische Staatsangehörige, Einfrieren von Auslandskonten von russischen Staatsbürgern, der seit Jahren laufende Ausbau von NATO Basen in den baltischen Ländern und Mitte dieses Jahres die größte Militärübung in Osteuropa seit dem Ende des kalten Krieges (Anakonda 2016). In meinem Artikel Steuern USA und Russland auf einen direkten Konflikt zu? gehe ich auf die Hintergründe ein.

Der Politikwissenschaftler, Autor und Blogger des konservativ-libertären Magazins www.konterrevolution.at, Eric Hugo Weinhandl, zieht im Interview folgende Schlüsse:

“Doch die Provokationen zielen auf reale Reaktionen ab. Laut dem Institut für strategische Planung in Moskau war etwa der Abschuss eines russischen Kampfjets durch das türkische Militär eine von den USA initiierte False-Flag-Aktion. Geplant und durchgeführt wurde der Abschuss von dem Nato-Stützpunkt Incirlik Air Base. “

Weinhandl führt weiter aus, dass laut Quellen nicht einmal der türkische Präsident Erdogan im Vorfeld über das Vorgehen informiert worden sei. Dies würde auch erklären, warum Erdogan die Nato-Basis nach dem gescheiterten Putsch sperren und anschließend hochrangige Militärs verhaften ließ.

“Die USA wollten mit dem Abschuss eine Gegenreaktion Russlands provozieren, in der Hoffnung der Nato-Stützpunkt würde militärisch angegriffen. Dadurch wäre der Bündnisfall ausgelöst worden und die Nato mit Russland in einen Krieg eingetreten.”

Die Provokation erfüllte wider Erwarten ihren Zweck nicht. Daher scheint sich das Augenmerk,heimlich aber doch, wieder auf die Ostukraine zu verlagern. Dort wird aktuell das ukrainische Militär aufgerüstet, unter Finanzierung und logistischer Steuerung der USA und seiner Geheimdienste. Weinhandl sieht folgende Szenarien:

“Ein Einmarsch in die besetzten Separatisten-Gebiete würde Russland zu einer Gegenreaktion nötigen, wobei der Bürgerkrieg schlussendlich zu einem Staaten-Krieg mutieren würde. Da sich USA wie EU mittlerweile als selbsternannte Schutzmächte der Ukraine sehen, würde dies den Konflikt auf eine europäische Ebene heben.”

In Syrien spielen sich ähnliche Szenen der Provokation ab. Dort überlegen die USA bereits, Angriffe auf russische Einheiten zu fliegen, sollten diese die US-gestützten Rebellen angreifen. Die Provokationen werden also in Zukunft an Intensität zunehmen. Weinhandl beschließt das Interview mit den Worten:

“Man kann froh sein, dass Russland bisher einen relativ kühlen Kopf bewahrte und immer noch auf Diplomatie statt Gewalt setzt.”

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich unterstütze weder die USA noch Russland. Aber um zu verstehen, was auf dieser Welt vor sich geht, muss man sich mit der Rolle Russlands mehr und tiefer auseinandersetzen, als es in unseren Medien der Fall ist. Die Tatsache, dass Sie (höchstwahrscheinlich) nichts von der oben erwähnten Rede Putins wussten, sollte Ihnen zu denken geben. Und das, obwohl Sie, wenn ich Sie mit meinen Blog erreicht habe, zu den informierten Usern alternativer und unabhängiger Medien zählen.  

USA ante Portas

Unabhängig von Sympathien oder Antipathien – Russland ist in Bedrängnis. Und das seit Jahren. Wenn Putin über seine Westlichen Partner spricht, meint er bestimmt die russischen Agenten in den USA. Die offizielle Haltung in den USA weist auf Krieg hin. Der militärisch-industrielle Komplex wird nicht müde, mit den Säbeln zu Rasseln. Der amerikanischen Administration kommt ein Krieg gerade recht, besonders dann, wenn er nicht auf eigenem Boden stattfinden wird.

Dass die Amerikaner die treibende Kraft hinter den immer schlechter werdenden Beziehungen innerhalb der Staatengemeinschaft sind, sollte auch dem Letzten klar geworden sein. Hinweise, dass die Staatengemeinschaft uneins in der Frage eines bewaffneten Konflikts ist, zeigen sich sogar in den Mainstream Medien. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte hatte Mitte September dieses Jahres den US Präsidenten Barack Obama öffentlich einen “Hurensohn” genannt und die Präsenz von amerikanischen Truppen in seinem Land öffentlich abgelehnt. Was in der Berichterstattung der Mainstream Medien verloren ging, waren die Hintergründe dieses Ausbruchs von Duterte. Aus heutiger Sicht, kann man sich zusammenreimen, dass es wahrscheinlich die Pläne der US Administration waren, die Duterte dermaßen aus der Reserve gelockt haben. Die Philippinen sind militärstrategisch von extremer Relevanz für die Amerikaner. Stellen sie doch ein amerikanisches Bollwerk, mit Stützpunkten und Truppen, nicht nur zu Versorgungszwecken vor den Toren Chinas dar.

Wenn man sich die strategische Verteilung der US Militärbasen weltweit ansieht, wird klar, dass der Imperialismus der amerikanischen Administration noch lange nicht zu Ende ist.

Destabilisierung als Strategie

Zieht man noch die wirtschaftliche Situation der EU Staaten, insbesondere Deutschlands, in Betracht, dann unterstützt das nur die These, dass Amerika die Weichen auf Krieg gestellt hat. Der Wirtschaftsmotor Deutschland ist in großer Gefahr, die Deutsche Bank strauchelt und die Bundeskanzlerin Merkel lässt über die Medien verlautbaren, dass es keine staatliche Hilfe geben wird. Der VW-Konzern, einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, steht massiv unter Druck, wegen des Abgastests Skandal im Vorjahr, amerikanische Anwälte gehen massiv gegen das Unternehmen vor. Die deutschen Kommunen haben kein Geld, um ihre Infrastruktur aufrechtzuerhalten, 1,1 Millionen Flüchtlinge sind 2015 nach Deutschland gekommen und 2,5 Millionen sitzen in Lagern in der Türkei. Laut den Statistiken der UNHCR gingen im Jahr 2015 850.000 Flüchtlinge in Griechenland an Land, seit Beginn dieses Jahres sind mindestens 3.000 Menschen auf der Flucht ertrunken. Die Organisation http://www.internal-displacement.org/ gibt an, dass weltweit über 40 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Innerhalb Syriens spricht dieselbe Organisation von 6,1 Millionen, im Jemen sind über 2 Millionen auf der Flucht. Die Region im Mittleren Osten ist demnach schon erfolgreich destabilisiert. Das löst in weiterer Folge einen Dominoeffekt aus, der in Kombination mit sinkenden Wirtschaftszahlen Europas und kostenintensiven Sozialsystemen für Kopfweh in den Politiker Etagen sorgt. Zählt man die Integrationsprobleme und die zunehmende Radikalisierung der Gruppierungen am linken und rechten Rand und der zugewanderten Bevölkerung dazu, haben wir eine Kombination, die für allerlei Zündstoff in Zukunft sorgen wird. Europa und insbesondere das angeschlagene Deutschland wird einen starken Partner brauchen. So zumindest denkt die US Administration. George Friedman, der Gründer und Direktor des US Thinktanks Stratfor, der führend auf dem Gebiet der Geopolitik ist, sagte nicht umsonst und doch beinahe ungehört schon 2015:

“Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert die Kriege führen – Erster und Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg – waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es immer, sicherzustellen, dass das nicht eintritt.“

Hier der Link zur gesamten Pressekonferenz des Chicago Council on Global Affairs.

Fazit:

Aus Sicht von militärischen Strategen ist die Destabilisierung Europas, die man in den USA als wichtigen Verbündeten braucht, gelungen. Manch einer wird sich vielleicht fragen, weshalb eine Destabilisierung Europas den USA entgegenkommen sollte? Dieser instabile Zustand Europas, und insbesondere Deutschlands und der baltischen Länder, bildet die Basis für eine Zusammenarbeit auf dem Niveau, das den US Strategen vorschwebt. Eine Partnerschaft auf Ebene eines Vasallen Staates, in dem ohne großen Widerstand seitens Bevölkerung oder Regierung die amerikanische Agenda durchgezogen werden kann. Und die Agenda scheint zu lauten: Russland isolieren, wirtschaftlich und infrastrukturell schwächen und in einen bewaffneten Konflikt zu treiben. Es kann einem Angst und bange werden, wenn sich der Präsident Russlands an eine internationale Auswahl von Journalisten wendet und den Ernst der Lage zur Sprache bringen möchte und keine einzige Zeitschrift oder keine einzige Nachrichtensendung darüber berichtet! Dieser Umstand allein ist das Totschlagargument in einer Diskussion über die Position der Medien und deren Aufgaben in unserer Kultur.

Nun denn, bleiben Sie wachsam und guter Dinge, vielleicht ergeben sich ja neue Szenarien, mit denen keiner bisher gerechnet hat. Vielleicht schreiben Sie mal einen Brief an unsere Bundesregierung und fragen, weshalb sie sich nicht offiziell von dem Vorgehen der USA distanziert? Oder Sie schreiben der EU, dass Sie die Vorgehensweise der deutschen Bundeskanzlerin in den letzten Monaten beobachtet haben, und dass sie den Verdacht haben, dass sie eine amerikanische Agentin sein könnte. Für eine stille Stunde kann ich Ihnen das Essay Libertäre – oder Anarchie für Anfänger ans Herz legen.

Vielleicht sind Sie ja sogar anarchistischer Libertär und wussten es nur noch nicht?

PS: Wikileaks Internet Leitung lahmgelegt

Just am selben Tag passierte am Rande auch noch folgendes: Laut einem Artikel des Online Magazins sputniknews.com wurde die Internet Verbindung von WikiLeaks Herausgeber Julian Assange von staatlicher Seite stillgelegt. Wikileaks veröffentlichte im ersten Zug den gesamten Email Verkehr von Hillary Clinton und in einem zweiten Zug den Email Verkehr zwischen Clintons Wahlkampfmanager John Podesta, der vor allem Clintons Beziehung zu den Medien, zu Wall Street Unternehmen und Pläne zu gewissen Teilen ihrer Kampagne beinhaltet. Aus diesem Grund wird Wikileaks von Hillary Clintons Wahlkampfmanager Brian Fallon unterstellt, dass WikiLeaks mit der russischen Regierung zusammenarbeiten würde, um die Kampagne für Clintons Präsidentschaftskanditatur zu ruinieren. In der Zwischenzeit hat sich auch der russische Präsident Putin dazu geäußert und noch einmal bekundet, dass die russische Regierung keine Präferenz in der US-Wahl hätte.

Bücher, die man trotzdem mal gelesen haben sollte oder auch mal jemandem schenken darf:


Beitragsbild: Wolfgang/flickr (CC BY-SA 2.0)

Kommentar verfassen