Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern ließ am 26.09.2016 aufhorchen, weil er die Erweiterung seiner Befugnisse durch Richtlinienkompetenzen forderte. Richtlinienkompetenz soll dem Kanzler im Krisenfall ein Durchgriffsrecht und Weisungsrecht in Sicherheitsfragen geben. Die SPÖ forderte die Einrichtung eines Sicherheitskabinetts, dem neben Kanzler und Vizekanzler auch der Innen-, der Außen-, der Verteidigungs- sowie der Justizminister angehören sollten. Das Sicherheitskabinett wäre im Ernst- und Zweifelsfall an die Anweisungen des Bundeskanzlers gebunden, der Kanzler hätte demnach volle Kompetenz.

Das Argument für diese Forderungen war die Notfallsituation der österreichischen Regierung in der Flüchtlingskrise des Vorjahres und die Vermeidung ähnlicher Szenarien in (naher) Zukunft.

Machtausbau

Die Idee des Machtausbaus, in diesem Fall durch Richtlinienkompetenzen, ist nicht neu und hat ein prominentes Beispiel, nämlich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Frau Merkel verfügt über die notwendigen Richtlinienkompetenzen in Krisenzeiten und man kann den Erfolg an den noch immer anhaltenden Debatten über die Auswirkungen ihrer Flüchtlingspolitik des Vorjahres ablesen.

Der Vorstoß der SPÖ unter Kern wurde schon am darauffolgenden Tag von Seiten der ÖVP, in Gestalt von Innenminister Wolfgang Sobotka, jäh gebremst. Sobotka erteilte der Forderung nach Richtlinienkompetenz für den Kanzler ein klares Ende, verkündete jedoch, dass das Verteidigungsministerium mehr Kompetenz erhalten sollte.

Die Forderung nach der Installation eines Sicherheitskabinetts ist jedenfalls auch von der ÖVP wohlwollend angenommen worden. Offensichtlich ging es weniger um die Probleme, die Verfassungsrechtler und Verfassungsexperten in der Konstruktion sehen, sondern um die Machtverteilung innerhalb der Koalition.

Das Sicherheitspaket

Neben der Kooperation mit anderen Ländern in der Luftraumüberwachung soll auch die Entscheidungshierarchie im Katastrophenschutz verkürzt werden. Ein Sicherheitskabinett soll installiert werden, welchem Kanzler und Vizekanzler, Verteidigungsminister und Justizminister, Innen- und Außenminister angehören würden. Das Kabinett soll im Krisenfall also das Land führen, um, wie es heißt, schnelle und umsetzbare Beschlüsse fassen zu können. Das Verteidigungsministerium, und damit verbunden das Bundesheer, übernimmt den Schutz von kritischen Einrichtungen und Infrastruktur, der bisher der Polizei vorbehalten war. Zu guter Letzt sollen die Nachrichtendienste von Heer und Polizei enger zusammenarbeiten und größere Befugnisse in der Überwachung bekommen. Auch das Personal für Abwehramt, Heeresnachrichtenamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz soll aufgestockt werden.

Noch ist das ausverhandelte Paket nicht beschlossen, dazu benötigt man eine Zweidrittelmehrheit und demnach die Zustimmung von FPÖ oder Grünen.

Warum dieser spontane Vorstoß?

Es liegt in der Natur der Macht, mehr Macht anzustreben. Sich selbst und die Seinen mit mehr Kompetenzen auszustatten, ist in den Strukturen, in denen wir leben, an der Tagesordnung. Im vorliegenden Fall sollte man sich aber fragen, was der tatsächliche Auslöser für diese Forderungen seitens SPÖ und ÖVP war. In den meisten Fragen uneinig bis zerstritten, hat man in Fragen des Sicherheitspakets zu einem beeindruckend schnellen Konsens gefunden. Einzig und allein die Ausweitung der Kompetenzen des Kanzlers wurde abgewürgt.

In Österreich ist man eigentlich gewöhnt, zuzuwarten bis man wirklich nicht mehr warten kann. Wir sind sozusagen die Südländer unter den deutschsprachigen Völkern. Umso befremdlicher und beängstigender könnte man die Schritte des österreichischen Kanzlers und des Verteidigungsministers, den Vorstoß von SPÖ und ÖVP, werten. Man sollte sich besonders vor Augen halten, dass Bundeskanzler Kern diesen tiefen Eingriff in die Verfassung, in die Macht- und Kompetenzverteilung der wichtigsten Ressorts unseres Landes, anstrebt, ohne jemals gewählt worden zu sein. Seine Aufgabe als interimistischer Kanzler nimmt Herr Kern offensichtlich sehr ernst. Es entsteht fast der Eindruck, als ob der ehemalige Kanzler Faymann nur Platzhalter für die Kanzler Rochade mit Kern gewesen wäre, bis dessen Verträge mit der ÖBB einen Wechsel in die Politik zugelassen haben.

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht im KURIER Gespräch weder Notwendigkeit noch Nutzen dieses Vorstoßes. Er hält das Ganze für verfassungsrechtlichen Aktionismus. Theo Öhlinger, Mitglied der Arbeitsgruppe Verfassungsreform im Bundeskanzleramt, äußerte seine Bedenken über die Richtlinienkompetenzen für den Kanzler dahingehend, dass der vermeintliche Zuwachs an Kompetenzen lediglich theoretischer Natur sei. Das Sicherheitskabinett müsse trotzdem zu einem Konsens gelangen, um handlungsfähig zu sein. Ein weiteres Problem sieht Öhlinger in der Definition des Notfalls, auf dessen Grundlage das Sicherheitskabinett schließlich in Aktion treten soll.

Führen weitere Fragen zu Antworten?

Die oben zitierten Verfassungsrechtler beschwichtigen zwar und relativieren den Umstand. Doch kann es wirklich sein, dass wir hier einfach nur einen plumpen Vorstoß in Richtung Machtzentralisierung erlebt haben? Auf die klassisch österreichische Art: erst etwas zaghaft, dann ruckartig und am Ende mit dem klassischen Zurückrudern?

Die Zentralisierung von Macht läuft jedenfalls unaufhaltsam weiter. In der Türkei erweitert Erdogan seine Befugnisse und räumt, mit einem Putsch als Anlassfall, politische Gegner großflächig aus dem Weg. Putin findet kaum mehr Raum, um seine Kompetenzen zu erweitern und die deutsche Kanzlerin Merkel verfügt offensichtlich über genügend Macht und Einfluss, um sich gegenüber allen anderen Regierungsmitgliedern mit ihrer höchst umstrittenen Politik durchzusetzen. Auch wenn es sich dabei “nur” um Richtlinienkompetenzen handelt.

Der angebliche Auslöser für die Installation eines Sicherheitskabinetts und die Erweiterung der Kompetenzen des Kanzlers ist, laut Regierungsvertretern, die Flüchtlingswelle des Vorjahres. Nachdem die Grenzen Europas für einen mehrwöchigen Zeitraum, begleitet durch eine bisher kaum dagewesene Medienoffensive, geöffnet wurden, und eine bisher nicht genau zu ermittelnde Anzahl an Menschen unkontrolliert eingewandert sind, werden plötzlich die Zäune hochgefahren und der Grenzschutz wieder aufgebaut. Die Willkommenspolitik, die uns medial im Vorjahr noch 24/7 verordnet wurde, ist damit offenbar beendet.

Man muss sich, neben der Fragen, die dankender Weise von anderer Seite gestellt wurden, jedenfalls auch fragen, ob die Flüchtlingskrise nicht bewusst eingesetzt wurde, um dem überalterten Europa die notwendigen Einwohner und damit eine Zukunft zu bringen. Wurden die Zahlen an Zuwanderern jetzt erreicht, die die europäischen Länder, rein rechnerisch, für den weiteren Erhalt der Sozialsysteme, Rentensysteme, etc. benötigen? Brisante Fragen, aber niemand stellt sie bisher. Kann es sein, dass hinter dem Vorstoß der Regierungsparteien das Erreichen eines weiteren Meilensteins einer Agenda steht, die wir alle noch nicht richtig verstanden haben?

Gibt es eine Agenda hinter dem Vorstoß der Regierungsparteien?

Diese Frage klingt verschwörerisch, aber die Tatsache ist, dass Europa in höchstem Maße verschuldet ist. Bei Institutionen und ausländischen Investoren, die natürlich Forderungen gestellt haben und weiter stellen. Ein zentraler Punkt für alle Investoren ist die Frage, wie und in welchem Zeitraum der Schuldner seine Schuld begleichen wird. Eine weitere zentrale Frage der Investoren ist, wie hoch die Renditen sein werden. Der IWF und die Weltbank gehen da ziemlich strikt und mit wenig Rücksicht auf Verluste vor. Nicht zuletzt am Beispiel Griechenlands kann man die realen Auswirkungen sehen. Ich werde in einem separaten Beitrag noch genauer auf die Rolle des IWF und ähnlicher Institutionen eingehen.

Um meiner Argumentation zu folgen, muss man sich aber nur vor Augen halten, was in Griechenland vor sich gegangen ist. Die sogenannte Troika, bestehend aus dem IWF, der EU und der EZB, hat in Griechenland ein beispielloses Debakel in der Bevölkerung angerichtet. Zur Erinnerung: Die verordnete Sparpolitik sollte die Sanierung des griechischen Staatshaushalts und die Steigerung der Wirtschaftsleistung erreichen. Diese Ziele wurden jedenfalls fatal verfehlt. Was jedoch, mit Zahlen belegbar, erreicht wurde, ist Folgendes:

  • der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auf 60%
  • die Senkung der Reallöhne um 40%
  • die Schließung von 30% der Spitäler
  • die Entlassung von 26.000 Bediensteten aus dem Gesundheitswesen

mit extremen Folgen:

  • 43% Zunahme der Kindersterblichkeit
  • 21% Anstieg bei Totgeburten
  • 20% Anstieg an untergewichtigen Neugeborenen
  • Überproportionale Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose

Worauf will ich hinaus?

Meine Theorie ist, dass im Hintergrund die Forderungen der institutionellen Gläubiger immer größer werden. Was die Gläubiger sehen wollen, ist Wachstum. Sowohl in der Wirtschaftsleistung als auch in den Bevölkerungszahlen. Und bei den Bevölkerungszahlen tun sich alle Industrienationen gleich schwer. Der Rückgang der Geburtenrate wird uns ja nicht erst seit gestern als problematisch kommuniziert. Wenn man die Zahlen kennt und die Logik zu Hilfe nimmt, dann ist schnell klar: Mit Geburtenraten unter 2,1 stirbt jede Zivilisation aus. Österreichs Geburtenrate liegt derzeit bei 1,44, also weit darunter. Einzig der Zeitpunkt des Endes verschiebt sich, je nach Höhe, entweder in nahe oder ferne Zukunft. Man kann also davon ausgehen, dass die Institutionen, die mit im Besitz der österreichischen Staatsanleihen sind, diese Daten kennen. Die EZB wird ebenfalls in Kenntnis der österreichischen Wirtschaftsdaten und Geburtenraten sein. Und eine der Aufnahmebedingungen, in den illustren Club von institutionellen Kreditgebern wie IWF und Weltbank, ist die Offenlegung aller Wirtschaftsdaten, zu jeder Zeit. 

Es ist in der Geschichte Österreichs abzulesen, dass unsere Regierungen versucht haben, die sinkenden Geburtenraten mit diversen Mitteln zu bekämpfen. Das ist jedoch bisher nicht gelungen. Dieselben Probleme haben alle Industrienationen. Ich stelle also hiermit in den Raum, dass der wahre Grund für diese Zuwanderungswelle, die wir in dieser Form noch nie erlebt haben, die hastigen und verzweifelten Korrekturversuche der österreichischen und vornehmlich deutschen Regierungsvertreter waren. Alle anderen Maßnahmen sind schließlich fehlgeschlagen. Das Beispiel Griechenlands hängt wie ein Damoklesschwert über beinahe allen Ländern innerhalb der EU.  

Ich denke, dass wir den Versuch erlebt haben, die von den Gläubigern geforderten, grundsätzlichen Bedingungen einzuhalten. Die Eckdaten zur Berechnungsgrundlage bei der Kreditvergabe sind auch die Grundlage der prognostizierten Wirtschaftsdaten. Die Wirtschaftsdaten einer Nation bestimmen, neben anderen Kriterien, maßgeblich die Höhe der Kredite und vor allem die Details des Rückzahlungsplans wie Zinsen und Zinseszins.

Die Staatsverschuldung der europäischen Länder war noch nie so hoch wie heute. In Kombination mit den stetig sinkenden Geburtenraten ist das eine denkbar ungünstige Position, um in Verhandlungen mit den Gläubigern zu treten. Es kann also durchaus sein, dass die Idee zur Aufnahme von Zuwanderern, in dem Ausmaß, wie wir es erlebt haben, sogar von Seiten der Gläubiger in den Raum gestellt wurde.

Die wahre(n) Absicht(en) hinter dem Vorstoß

Wenn meine Annahmen richtig sind und der Leser bis hier gefolgt ist, könnte man zu folgenden Schlüssen kommen:

Die österreichische Regierung ringt hinter den Kulissen mit den Forderungen der Gläubiger und versucht nun die Grenzen zu sichern und die Mächte innerhalb von Bundesheer und Polizei zu verteilen, um auf die anzunehmenden Bedrohungen zu reagieren. Als Bedrohungen werden sicher folgende Szenarien eingestuft:

  • die kommende Flüchtlingswelle und der Ansturm an die Außengrenzen der EU und in weiterer Folge der Ansturm an die Grenzen der Staaten, die auf den bisher bekannten Routen liegen
  • die befürchteten Unruhen innerhalb Österreichs, durch
    • wachsende Kluft zwischen Zuwanderern und Inländern
    • Szenarien der Verknappung (Nahrung, Wasser, Gas, etc.) durch wirtschaftliche Krisen, etc.
  • die nicht zu unterschätzende Bedrohung eines bewaffneten Konfliktes zwischen den USA und Bündnispartnern, Russland und China – und die damit verbundenen Änderungen der nationalen Sicherheitslage und dementsprechenden Auswirkungen auf Wirtschaftsleistung, Nahrungsversorgung, etc.
  • die Bedrohung durch mit dem ungehinderten Flüchtlingsstrom eingeschleuste Terrorzellen
  • und nicht zuletzt ein ähnliches Schicksal wie wir es in Griechenland erlebt haben und den damit einhergehenden Aufständen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, ausgelöst durch die Sparvorgaben der Troika.

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich die Regierungen um die Entscheidungen, die hier getroffen werden (müssen?), nicht beneide. Um zu meiner Eingangs gestellten Frage zurückzukehren und endlich die Kurve zu kratzen: Bereitet sich Österreich auf einen Bürgerkrieg vor? Meine persönliche Meinung ist eindeutig JA! Und das ist im Grunde gut so. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in nächster Zeit mit diesem Szenario rechnen müssen, schätze ich persönlich als gering ein. Doch verbürgen würde ich mich dafür nicht. Die Staatsverschuldung Österreichs liegt bei unfassbaren…

…und die Troika schläft nicht.

Bleiben Sie wachsam und – trotz dieser seltsam anmutenden Gesellschaftsstrukturen – guter Dinge.

Quellen:

Einige Bücher, die sich in jedem Fall lohnen…


Beitragsbild: SPÖ Presse und Kommunikation/flickr (CC BY-SA 2.0)

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