Wie saniert man den Budgethaushalt eines Staates, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen? Richtig, man greift auf das effektivste Kontrollmittel unserer heutigen Zeit zurück, das Geld. So verwundert es auch nicht, dass Indien, im (Krisen-)Zeitalter von Fiat-Money und Co., seine Bürger nun durch eine umstrittene Währungsreform um insgesamt 100 Milliarden Dollar erleichterte. Damit wurde die Dämonisierung des Bargeldes, unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung, einen erheblichen Schritt vorangebracht. Die indische Regierung kann sich hingegen über die Transfermilliarden freuen.

Über Nacht wird Papiergeld wertlos

Am 8. November entschied der indische Premierminister Narendra Modi in Absprache mit der Zentralbank überraschend, die zwei wertvollsten Rupien-Scheine innerhalb eines Tages zu demonetarisieren. Dies betraf den 500 und den 1.000 Rupien-Schein (im Wert etwa $ 7,50 und $ 15). Offiziell sollte damit der Kampf gegen das „ausufernde“, unversteuerte Schwarzgeld ausgeweitet werden. Indische Bürger hatten nach der Ankündigung einige Wochen Zeit, um die ungültigen Scheine in Banken für Einlagenguthaben einzutragen oder sie gegen neue gültige Rupien-Scheine, im Wert von 500 und 2.000, zu tauschen.

Doch das Umtauschprozedere hat einige Haken: Nur kleine Mengen (Rs. 2.000 oder $ 30 pro Person und Tag) dürfen täglich umgetauscht werden und das auch nur mit Identitätsbeweisen. Jedoch besitzen hunderte Millionen von Indern einen solchen Nachweis, ich welcher Form auch immer, gar nicht.  Als zusätzliche Hürde gelten die vielen Warteschlangen vor Banken, in denen man oft stundelang anstehen muss. Letztlich werden jene, die über 250.000 Rupien (ca. $ 3.700) umtauschen wollen, von den Steuerbehörden geprüft.

Der Währungsmarkt in Indien

Dabei spielen Geldtransfers- und Transaktionen eine zentrale Rolle in der indischen Wirtschaft. Einige wichtige Tatsachen über die Bedeutung der Währung in Indien:

  • Über 90 Prozent der Transaktionen in Indien werden mit Bargeld getätigt
  • Nahezu 50 Prozent aller Inder (über 600 Millionen Menschen) verfügen über kein Bankkonto, was im Umkehrschluss eine Gutschreibung unmöglich macht
  • Die indische Zentralbank hält Währungen der Öffentlichkeit in Höhe von 17 Milliarden Euro, oder 62 Prozent von M1 (die Summe der Währung und überprüfbarer Einlagen)
  • Die beiden verbotenen Gelscheine machen rund 80 Prozent der im Umlauf befindlichen Währung aus

Die Hälfte von Indiens Geldbestand (80 von 62 Prozent) ist durch diese Maßnahme somit zumindest vorübergehend immobilisiert worden. Die Immobilisierung schadet wiederum jenen Bevölkerungsschichten, die ohnehin über kein Bankkonto verfügen. Wer, gezwungen durch die Hürden, nun seine alten Noten für Neue auf dem informellen Markt verkauft, erleidet einen Verlust von rund 20 Prozent (basierend auf dem in den letzten Tagen gemeldetem Wechselkurs).

Die Währungsaufhebungspolitik gliedert sich daher in drei Aspekte: 1) Die Effekte der Transition weg von den alten Banknoten 2) Die fiskalischen Auswirkungen der Transition hin zu neuen Banknoten 3) Die Auswirkung der uneinheitlichen Injektion neuer Banknoten in die Wirtschaft.

1. Auswirkung des Übergangs weg von alten Noten

Das Vorgehen Modis bedeutet einen einmaligen Wohlstandsverlust für jenen Bürger Indiens, die entweder nicht in der Lage oder willens sind, ihre alten Geldscheine umzutauschen. Wie wir gesehen haben, ist dies eine große Anzahl an Menschen. Dieser Schritt ist jedoch beabsichtigt, da unversteuerter oder illegal erhaltener Reichtum so beseitigt werden soll. Jedoch wurde die damit einhergehende Gefahr der Währungsknappheit (anscheinend) nicht ganz durchdacht.

Diese Knappheit blockiert jedoch gewöhnliche Devisengeschäfte und behindert ehrliche, einfache Menschen daran, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Lediglich das Volkseinkommen wird durch diesen Schritt gesenkt. Am schlimmsten trifft es arme Menschen in Indien, die ohnehin wenige Währungsreserven für etwaige Transaktionen besitzen.  So mussten dutzende Tagelöhner und Wanderarbeiter in den vergangenen Wochen auf ihren Lohn verzichten, da sie wegen der Währungsknappheit nicht bezahlt werden konnten. Ebenso waren Landwirte und Verkäufer nicht in der Lage, frische Produkte zu verkaufen und verloren somit ihren gesamten Bestand an verderblichen Lebensmitteln. Kleinunternehmen können ihre Geschäfte unzureichend abwickeln.

Eine Politik, die angeblich gegen Verluste aus Steuerhinterziehung und Kriminelle gerichtet ist, verursacht so zumindest im Übergang viel größere Verluste für ehrliche Nutzer von Bargeld.

2. Fiskalische Auswirkungen des Übergangs in neue Noten

Während nun die Nachteile der Abschaffung der alten Banknoten reichlich dargelegt und auch medial diskutiert wurden, wurde den Implikationen des Übergangs in die neuen Noten kaum Rechnung getragen.Die auffälligste Konsequenz ist jene, dass die indische Regierung einen einmaligen Umsatzgewinn verbuchen kann. Nehmen wir an, dass, wie die Regierung glaubt, ein großer Teil der alten Währung „Schwarzgeld“ wäre, dass von Steuervermeidern und Berufskriminellen gehalten wird, die nun durch die Abschaffung bestraft werden, weil sie nicht mit einer Überprüfung konfrontiert werden wollen. Nehmen wir nun an, dass die Hälfte der nun ungültigen Banknoten niemals umgetauscht wird. Dadurch würde der Währungsbestand Indiens um 42,5 Prozent oder 7,2 Billiarden Rupien ($ 106 Milliarden) schrumpfen, da die alten Noten ihren zirkulären Status verlieren. 

Im Umkehrschluss kann die indische Regierung eine Ersatzwährung herausgeben. 7,2 Billionen im Wert, ohne die Währungsreserven erhöhen zu müssen oder das Preisniveau über Vorreformhöhe anzuheben. Durch den Wegfall der Umtauschunwilligen, kann die Regierung folglich dieses Geld für eigene Programme und Schulden- und Staatsanleihenrückkäufe verwenden. Wenn nur 20 Prozent der alten Noten nicht umgetauscht werden, verfügt der Staat über 2,9 Billionen Rupien an zusätzlichen („Steuer“-)Geldern. Auf Kosten der Bürger versteht sich.

Die Kombination aus Zerstörung des Privateigentums in Kombination mit erwarteten Mehreinnahmen für den Staat, macht also diese Währungspolitik „effektiv“. Es ist eine rießige Umverteilung von Vermögen des Privatsektors hin zum öffentlichen Sektor.

3. Auswirkung der uneinheitlichen Injektion neuer Banknoten in die Wirtschaft

Der dritte Aspekt der De-Monetarisierung, den wir erwähnen wollen, bezieht sich auf die Auswirkungen der offensichtlichen Ungleichmäßigkeit der Injektion neuer Geldscheine in die Wirtschaft. Ökonomen nennen dieses Phänomen Cantillon-Effekt, also wenn sich eine Erhöhung der (Giral-)Geldmenge nicht automatisch gleichmäßig auf alle Bereiche einer Volkswirtschaft verteilt. Denn neue Banknoten kommen normalerweise nur via Zentralbank-Regulierung in den Wirtschaftskreislauf. Noten die auf diese Weise injiziert werden, haben eine gewisse Zeit, um die 600 Millionen Inder, die nicht über Bankkonten verfügen, zu erreichen.  In der Zwischenzeit können diejenigen, die die neuen Geldnoten erhalten, Waren mit Verkäufern von Gütern und Dienstleistungen, die keine Bankkunden sind, zu niedrigen und unfairen Preisen kaufen. 

Die Regeln des Handels richten sich somit gegen bankfreien Sektor. Dadurch generieren die wohlhabenderen Bankkunden Transferleistungen von der ärmeren Bevölkerung. Die Schieflage der relativen Preise und Einkommen bleibt also bestehen, bis der Zugang zu neuen Geldscheinen in der gesamten Wirtschaft möglich ist. Aber es gibt auch eine geographische Schieflage. Tee-Hersteller in der Stadt Mumbai zum Beispiel, wo die neue Währung schneller bereitgestellt wird, sind weniger hart von der Währungsreform betroffen als Tee-Hersteller in den ländlichen Dörfern von Maharashtra.

Die Währungsknappheit kann aber auch zu strukturellen Ungleichgewichten in der Wirtschaft, in Bezug auflängere Produktionsprozesse, führen. Zum Beispiel wird Mitte November in Indien die Aussaat für die Rabi (Winter) Ernte ausgesät, die im folgenden Frühjahr geerntet wird. Landwirte, denen ein Zugang zu neuen Geldscheinen nicht möglich waren, mussten um ihre Ernte bangen. Landwirte dies schließlich die Ernte dieser Saison auslassen müssen, verlieren ein ganzes Jahreseinkommen. Industrien, die von Landwirten (Düngemittel, Maschinen usw.) leben, sehen ebenfalls einen Rückgang der Nachfrage. Die relativen Preisänderungen können bis zum Frühjahr, zum Zeitpunkt der Ernte, bestehen bleiben, auch wenn der Mangel an neuer Währung früher gelöst wird.

Nahezu die Hälfte aller indischen Familien ist in der Landwirtschaft beschäftigt, das macht 16 Prozent des BIP aus. Die Regierung hat sich daher in der vergangenen Woche der offensichtlichen Notwendigkeit ergeben und angekündigt, dass sie den Landwirten eine Sonderregelung gewähren würde, die es ihnen gestattet, die alten 500 Rupien-Banknoten während der Erntesaison zu verwenden. Aber ähnliche Probleme entstehen auch in anderen Branchen, die die Regierung nicht antizipiert hat. Ein weiteres Beispiel ist die Bauindustrie, eine fast gänzlich bargeldbasierte Industrie, in der aktuelle Projekte verschoben werden, bis neue Geldnoten ausreichend verfügbar sind. Diese Verschiebung hat Auswirkungen auf das Wohnungsangebot und die Preise für mehrere Jahre.

Schwarzgeld und Korruption sind Scheinargumente

Die Befürworter der De-Monetarisierungspolitik haben (mit oder ohne Berücksichtigung all dieser schädlichen Auswirkungen) argumentiert, dass dies alles noch ein kleiner Preis sei, um die großen Probleme von Schwarzgeld und Korruption zu bewältigen. Wie Kritiker darauf hingewiesen haben, wird die Noten-Streichung aber nicht wirklich viel bringen, um Steuerhinterziehung, Korruption oder illegalen Handel zu bekämpfen. Es wird, wie so oft, kaum die Schwarzgeldbesitzer treffen, da diese ihren illegalen Reichtum in anderen Formen anlegen: Immobilien, Unternehmensanleihen, ausländische Bankguthaben, Fremdwährungsanweisungen, Gold.

Durch die geplante Wiedereinführung großer Noten werden bald wieder nichtgemeldete Großwährungstransaktionen in Indien aktiviert. Das indische Steuersystem, das geradezu zum Ausweichen und Steuervermeiden einlädt, und das politische System, das Korruption begünstigt, bleiben hingegen bestehen. Zumal der offensichtliche Raub des Wohlstandes der Bürger eigentlich ein Fall für die UNO wäre.

Es gibt sinnvollere Möglichkeiten, die Rolle des Schwarzgeldes zu minimieren, etwa durch Deregulierung (weniger Bestechungsgelder in bar) und strukturelle Reformen des indischen Steuer- und Kapitalkontrollsystems (weniger Transaktionen, die mit Bargeld verborgen werden sollen).

Dennoch wird der Kampf gegen Bargeld konsequent fortgeführt, nicht nur in Europa und den USA. Dabei wird das fundamentale Problem, das Geldschöpfungsmonopol der Zentralbanken, in keinsterweise in Frage gestellt. Auch ein krampfhaftes Festhalten an Bargeld wird die negativen Konsequenzen eines auf Luftgeld basierten Währungssystems, welches lediglich einer kleinen Elite dienlich ist und die Spaltung der Gesellschaften vorantreibt, nicht lösen. In einem früheren Beitrag wurde bereits auf den Irrsinn des Fiat-Geld-Systems eingegangen. Es wird Zeit, dass Menschen auch im Finanzsektor an nachhaltigen alternativen arbeiten. Weder der Staat noch die Wirtschaft werden sie anbieten…

Ideen für vorliegenden Artikel von: Foundation for Economic Education, der Artikel ist ein Gastbeitrag des Autors und Politikwissenschaftlers Eric Hugo Weinhandl von www.konterrevolution.at

Beitragsbild: Gopal Vijayaraghavan/flickr (CC BY 2.0)

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